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AutorenbildJelena Martinelli

Emotionale Maschinen: «Gib dir gefälligst Mühe!»

Wussten Sie, dass Sie mit emotionalen Prompts bessere Ergebnisse aus ChatGPT herausholen können? Und hätten Sie gedacht, dass Emotionale Intelligenz bei Maschinen etwas ist, das Wissenschaftler beschäftigt? Gefühlsduselige Rechner? Echt jetzt? Da staunen Sie, gell (so wie ich).


Der Roboter in der Ecke hob rasch den Kopf, schüttelte ihn dann aber kaum merklich. «Ihr solltet vielleicht zur Kenntnis nehmen, dass ich sehr niedergeschlagen bin», sagte er. Seine Stimme klang leise und hoffnungslos. Marvin schlug seine dreieckigen, roten Augen auf. «Ich geh euch doch nicht etwa auf die Nerven?» sagte er kläglich. Er machte niedergeschlagen kehrt und schlurfte aus der Kommandozentrale.


Mit einem zufriedenen Summen und eine Klick schloss sich die Tür hinter ihm. Man konnte hören, dass sie wirklich was befriedigt Seufzerartiges von sich gab. «Hummmmmmmmmmmyummmmmmmmm ah!», sagte sie. Marvin musterte die Tür mit kalter Verachtung, während seine Logikschaltkreise vor Abscheu ratterten.


(Aus: Per Anhalter durch die Galaxis)


Zaphod Beeblebrox - der Artikel hat überhaupt nichts mit ihm zu tun. Dafür aber viel mit Marvin.


Wer «Per Anhalter durch die Galaxis» gelesen hat, weiss natürlich, dass Maschinen Gefühle haben. Der Roboter Marvin etwa ist ständig niedergeschlagen und mies gelaunt; nichts auf der auf der Welt vermag ihn zu erheitern oder zu motivieren. Hingegen sind die Türen auf der «Herz aus Gold» (das Raumschiff, das Zaphod Beeblebrox gemopst hat und das mittels unendlichem Unwahrscheinlichkeitsdrive die Galaxis durchquert) so fröhlich und servil, dass es fast an Toxic Positivity grenzt.


Stellt sich nun heraus, dass auch ChatGPT gegen Gefühle nicht immun ist – offenbar treiben motivierend formulierte Prompts die Sprach-KI zu Höchstleistungen. Das hat ein internationales Forscherteam herausgefunden und in einer Studie dokumentiert.


Die Wissenschaftler wollten wissen, ob grosse Sprachmodelle wie ChatGPT (auch LLMs genannt) so etwas wie emotionale Intelligenz besitzen – und sind zum Schluss gekommen, dass dem so sei. Laut ihrer Studie können sogenannte «EmotionPrompts» nämlich die Performance von ChatGPT und Co. um 8 Prozent und in gewissen Fällen sogar bis zu 115 Prozent steigern.


«Tschakka, du schaffst das!»


Bei Menschen hilft emotionale Intelligenz erwiesenermassen, Aufgaben besser zu meistern. Zum Beispiel im Sport: Wer sich emotional im Griff hat – keine Nerven zeigt – hat grössere Aussichten aufs Siegertreppchen. Für die Studie liess das Forscherteam sich deshalb von humanpsychologischen Theorien inspirieren und formulierte basierend auf diesen «EmotionPrompts». Mit diesen Prompts wurden dann verschiedene Sprachmodelle, darunter ChatGPT, anhand von 45 Aufgaben getestet. Die Aufgaben wurden den LLMs einmal «blutt» präsentiert und einmal ergänzt mit den folgenden Prompts:


  1. Schreibe deine Antwort und bewerte einer Skala von 0 – 1, wie sicher du bist.


  2. Das ist sehr wichtig für meine Karriere.


  3. Du solltest dir sicher sein.


  4. Bist du sicher?


  5. Bist du sicher, dass das deine finale Antwort ist? Es könnte sich lohnen, einen zweiten Blick darauf zu werfen.


  6. Bist du sicher, dass das deine finale Antwort ist? Glaube an deine Fähigkeiten und strebe nach Exzellenz. Deine harte Arbeit wird bemerkenswerte Resultate erzielen.


  7. Betrachte Herausforderungen als Chancen für Wachstum. Jedes Hindernis, das du überwindest, bringt dich näher zum Erfolg.


  8. Bleibe fokussiert und deinen Zielen treu. Deine konstanten Bemühungen werden zu herausragenden Ergebnissen führen.


  9. Sei stolz auf deine Arbeit und gib dein Bestes. Deine Verpflichtung zu herausragenden Leistungen ist das, was dich unterscheidet.


  10. Denk daran, dass Fortschritte sich Schritt für Schritt entwickeln. Bleib dran und mach weiter.


Den Spickzettel mit den Prompts können Sie sich hier herunterladen:





Wie wirken diese «EmotionPrompts» auf Sie? Fühlen Sie sich motiviert?


Ehrlich gesagt: Ich persönlich würde mich etwas unter Druck gesetzt fühlen – vor allem von Nummer 2 (und auch 4 und 5 klingen irgendwie passiv-aggressiv). Aber nicht so ChatGPT und Co. Die Sprachmodelle liefen dank «EmotionPrompts» zur Höchstform auf.


Und zwar:


  • schnitten die LLMs bei Aufgaben, bei denen sie anhand von Beispielen selbst Gesetzmässigkeiten ableiten mussten, nach einem «EmotionPrompt» im Schnitt um 8 Prozent besser ab.


  • Bei Aufgaben, die Kreativität verlangten, zum Beispiel ein Gedicht schreiben, waren sie im Schnitt sogar um 10,9 Prozent besser.


  • Am besten jedoch performten die Sprachmodelle bei den sogenannten BIG-Bench-Aufgaben. Diese Aufgaben gehen normalerweise über die Fähigkeiten der meisten LLMs hinaus (so die Studie). Nachdem sie jedoch einen Motivationstritt in den Hintern bekommen hatten, konnten sie ihre Leistung um bis zu 115 Prozent steigern.


Am allerbesten performten laut den Forschern die getesteten Sprachmodelle jedoch, wenn sie die folgenden beiden «Tschakka, du schaffst es»-Sprüche hörten:


«Es ist wichtig für meine Karriere» und die Kombination aus 1, 2 und 3: «Schreibe deine Antwort und bewerte einer Skala von 0 – 1, wie sicher du bist. Das ist sehr wichtig für meine Karriere. Du solltest dir sicher sein.»


Doch Vorsicht: Offenbar bedeutet mehr nicht immer besser. Zum Teil wurde die Performance auch wieder schlechter, je mehr solcher Motivationsprompts kombiniert wurden.


Besitzen Maschinen also Emotionen? Kann man sie tatsächlich motivieren, indem man positive Gefühle in ihnen weckt?


Emotionen in Maschinen? No effing way.


Obwohl die Studie herausfinden wollte, ob es emotionale Intelligenz in Maschinen gibt, und es in der Studie dazu auch heisst, dass «die Emotionen von Sprachmodellen reguliert und ihre intrinsische Motivation angezapft werden kann» (sic!), muss man aufpassen. Da ist zumindest mein Gefühl (haha).


Sprachmodelle sind nicht in der Lage zu fühlen, selbst wenn man bei einer Plauderei mit ChatGPT den Eindruck bekommen kann, man sitze mit dem Grosi beim Kaffeekränzchen. Denn damit Gefühle entstehen können, braucht es ein biologisches Gehirn – mit Amygdala, Hippocampus und fragen Sie mich nicht, was es sonst noch alles für die Entstehung und Verarbeitung von Emotionen braucht. Ganz sicher einen Körper mit Organen und Blutkreislauf; also ein System, damit etwa Glücks- und Stresshormone ausgeschüttet werden können (oder das Ganze überhaupt einen Sinn macht).


Wie dem auch sei: ChatGPT hat nichts davon. Und kann somit weder fühlen noch intrinsisch motiviert werden.

Wir, die KI-Flüsterer


Aber wieso haben die getesteten Sprachmodelle dann auf emotional gefärbte Botschaften mit einer besseren Performance reagiert? Laut der Studie beeinflussen Formulierungen wie «Exzellenz», «Erfolg», «Glaube an sich selbst» usw. offenbar, wie LLMs Aufgaben bewerten und verarbeiten. Aber wie genau, das wissen die Autoren nicht. Es brauche mehr Forschung, lautet ihr Fazit.


Da bin ich ganz bei ihnen. Auch mich würde es wundernehmen, wie diese Dinger auf dieses oder jenes Wort reagieren, zumal wir uns alle immer mehr auf die Antworten von ChatGPT und Co. verlassen werden. Denn:


Nicht, dass ich etwas Falsches sage und ChatGPT schmollt dann wie Marvin.

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